132 —
dem Orient, der durch Konstantinopel vermittelt wurde, eine
hohe Verkehrsbedeutung. Mit dem Emporblühen Venedigs und
Genuas und dem Niedergang Konstantinopels verlor sie ihren
kommerziellen Wert, und an ihre Stelle trat die Brenner-
straße, deten Aufgabe es war, Venedig mit Deutschland und
Nordeuropa zu verbinden. Mit dem regen Verkehr dieser
Straße war ein Aufblühen verschiedener süddeutscher Städte,
wie Kempten, Augsburg, Ulm und Nürnberg, verbunden. Regens-
burg spielte schon im Donauverkehr eine wichtige Rolle.
Nürnberg entwickelte sich nach und nach zu einem
wichtigen Verkehrsknotenpunkte. Nach Norden führte eine
Straße über Bamberg, Suhl, Erfurt, Goslar und Braunschweig
zur Elbe. In nordwestlicher Richtung gelangte man über
Würzburg, Fulda und Fritzlar nach Minden und damit an die
Weser. Ein anderer Weg ging über Hof nach Leipzig, welcher
sich hier dreifach auseinanderzweigte, einmal über Magdeburg
nach Lübeck und Hamburg, sodann über Berlin nach der
Ostsee und an derselben entlang bis nach Danzig und
Königsberg, endlich nach Breslau und später darüber hinaus
nach Warschau und Moskau. Nach Osten führte eine Straße
von Nürnberg über Prag nach Wien und von dort nach Ungarn
hinein.
Die Rheinstraßen. Den regen Handelsverkehr zwischen
Venedig und Genua einerseits und den Niederlanden ander-
seits vermittelten zum größeren Teile die Rheinstraßen. Für
diese Handelsbeziehungen war namentlich die Straße, die von
Basel über Breisach am linken Rheinufer nach Köln führte, von
Bedeutung. An der rechten Seite des Flusses lief der Weg
von Kempten aus über Ulm, Cannstatt, Heidelberg, Höchst,
Mainz auf Köln. Als Venedig direkten Handelsverkehr mit den
Niederlanden über das Meer anknüpfte, büßten die Rhein-
straßen einen großen Teil ihrer kommerziellen Bedeutung ein.
cc) Landstraßenverkehr in der neueren Zeit. Der mangel-
hafte Zustand der Landstraßen erhielt sich in Deutschland bis
zum Ende des 18. Jahrhunderts. Die erste Kunststraße wurde
im Jahre 1792 von Berlin nach Potsdam gebaut. Eine kräftige
Anregung erfuhr der Chausseebau in Deutschland durch
Napoleon I., dem aber mehr politische als kommerzielle Zwecke
vorschwebten. Mainz wurde auf seinen Befehl durch chaussierte
Straßen mit Koblenz, Metz, Paris und Straßburg verbunden.
Auch die Heerstraße von Wesel nach Hamburg ist durch ihn
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Extrahierte Personennamen: Napoleon_I. Metz
Extrahierte Ortsnamen: Konstantinopel Venedigs Genuas Konstantinopels Deutschland Nordeuropa Augsburg Ulm Nürnberg Donauverkehr Bamberg Erfurt Goslar Fulda Fritzlar Minden Leipzig Magdeburg Hamburg Berlin Ostsee Danzig Königsberg Breslau Warschau Moskau Nürnberg Wien Ungarn Rheinstraßen Venedig Genua Niederlanden Rheinstraßen Basel Breisach Ulm Cannstatt Heidelberg Mainz Rhein- Deutschland Berlin Potsdam Deutschland Mainz Koblenz Paris Wesel Hamburg
146 —
Von da ab wußten sich Venedig und Genua die Vorherrschaft im Handel
mit dem Orient zu verschaffen und Konstantinopel die Vermittlerrolle zu
entreißen. An Stelle der Donaulinie kamen die Alpenstraßen über den
Brenner, Julier und Septimer zu großer Bedeutung.
Die Hansa. Ahnlich wie auf dem Mittelmeer entwickelte sich ein
reges Handels- und Verkehrsleben auf der Ostsee. Im Ib. und 14. Jahr-
hundert lag der Ostseehandel vollständig in den Händen der Hansa, eines
Städtebundes, der zur Sicherung gemeinsamer Handels- und Seefahrts-
interessen geschlossen wurde. Die Führerin dieses mächtigen Bundes, der
seine Handelsbeziehungen nach Kußland, Polen, Dänemark, Schweden und
Norwegen, England, den Niederlanden und später auch nach dem Süden
ausdehnte, war Lübeck. Die Hansa wurde mit der Zeit so mächtig, daß
sie Kriege führen konnte, und Könige sich um ihre Gunst bewarben. Zur
Blütezeit der Hansa war Deutschland nicht nur politisch der mächtigste
Staat Europas, sondern zugleich auch der erste Handelsstaat.
16. bis 18. Jahrhundert. Während die westeuropäischen Staaten
infolge der Entdeckung Amerikas und des Seeweges nach Ostindien
zu hoher Blüte gelangten, begann der allmähliche Verfall des deutschen
Außenhandels. Die Macht der Hansa wurde durch die aufstrebenden
Seestaaten und durch innere Zwistigkeiten gebrochen. Ein Handels-
gebiet nach dem andern ging ihr verloren. Auch der süddeutsche
Handel wurde lahmgelegt, verloren doch Venedig und Genua mit der
Entdeckung des Seeweges nach Ostindien ihre Bedeutung für den Handel
mit dem fernen Orient. Mit dem Bückgange auf kommerziellem Gebiete
war der Zerfall Deutschlands auf politischem Gebiete verbunden. Die
Auflösung in machtlose Kleinstaaten und religiöse Streitigkeiten be-
siegelten seine Bedeutungslosigkeit für Weltpolitik und Welthandel. Deutsch-
land bildete nur noch einen Schatten seiner einstigen Größe. Der dreißig-
jährige Krieg richtete vollständig zugrunde, was noch übrig geblieben war.
Landwirtschaft, Gewerbe, Bergbau und Bürgertum waren vernichtet. Im
18. Jahrhundert macht sich endlich wieder eine allmähliche Besserung in
den wirtschaftlichen Verhältnissen Deutschlands bemerkbar. Die industrielle
Produktion fängt an sich zu heben, und mit ihr wird eine mehr und mehr
zunehmende Ausfuhr an Lernen, Tuchen, Metallwaren, Schwarzwälder
Uhren und Nürnberger Kurzwaren möglich. An Stelle der Ostsee erlangt
die Nordsee und mit ihr Hamburg und Bremen mehr und mehr Bedeutung
für den deutschen Seehandel und für die Einfuhr an Kaffee, Tee, Reis,
Zucker, Tabak und anderen ausländischen Waren. Während die genannten
Seestädte die Einfuhr nach Norddeutschland vermittelten, versorgte Holland
Süddeutschland mit Kolonialprodukten.
Die zweite Blütezeit des deutschen Welthandels. Nach der Los-
reißimg der englischen Kolonien vom Mutterlande im letzten Viertel des
18. Jahrhunderts entstand durch Vermittlung Hamburgs und Bremens
bald ein reger Handelsverkehr zwischen Deutschland und der nordameri-
kanischen Union. Derselbe erfuhr- aber durch die von Napoleon I. ver-
hängte Kontinentalsperre eine jähe Unterbrechung, und für längere Zeit
war der deutsche Außenhandel lahmgelegt. Allerdings hielt sie auch die
englische Konkurrenz fern, was für die Entwicklung der deutschen Industrie
von großem Vorteil war. Als dami die früheren Beziehungen zum Aus-
lande durch die Vermittlung der Hansastädte wieder in Fluß kamen, er-
wies sich die deutsche Industrie auf den verschiedensten Gebieten sehr
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel]]
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Extrahierte Personennamen: Napoleon_I.
Extrahierte Ortsnamen: Genua Konstantinopel Polen Schweden Norwegen England Niederlanden Deutschland Europas Amerikas Ostindien Genua Ostindien Deutschlands Deutschlands Nordsee Hamburg Norddeutschland Holland Hamburgs Bremens Deutschland
148 —
So steht Deutschland, das auch vor zwei Jahrzehnten
durch Erwerbungen in Afrika und in der Südsee in die Reihe
der Kolonialmächte eingetreten ist, stolz, mächtig und einig da,
jenes Deutschland, das früher seiner politischen und wirtschaft-
lichen Zerrissenheit wegen der Spott fremder Nationen war.
c. Die Wege des deutschen Welthandels,
aa. Seewege.
Der Ozean ist die eigentliche »Hochstraße« des Welt-
verkehrs. Auf ihm wird der bei weitem überwiegende Teil
des Güteraustausches zwischen den verschiedenen Nationen
vermittelt. Weltverkehr ist zum größten Teile Seeverkehr.
Der Atlantische Ozean. Unter allen Seewegen ist er die
wichtigste Fahrbahn und wird es auch aller Wahrscheinlichkeit
nach für alle Zeiten bleiben. Auf ihm ist die Seeschiffahrt zu
höchster Entfaltung gelangt, besonders seit jener Zeit, wo die
Dampfkraft sich in ihre Dienste stellte. Das dichteste Netz von
Dampferlinien ist über den Atlantischen Ozean ausgebreitet.
Deutschland hat daran einen bedeutenden Anteil. Ungemein
zahlreich sind die Linien, die von den Nordseehäfen Hamburg
und Bremen ausgehen und die Verbindung mit der Ostküste
von Nord-, Mittel- und Südamerika herstellen. Unter den
Schiffahrtsgesellschaften, die diesen Verkehr vermitteln, ragen be-
sonders zwei hervor : der Norddeutsche Lloyd und die Hamburg-
Amerika-Linie. Außer diesen sind noch zwei andere in größerem
Umfange an dem Verkehr mit Amerika beteiligt: die Hamburg-
Südamerikanische Dampfschiffahrtsgesellschaft und der Ham-
burger Kosmos. Am lebhaftesten gestaltet sich der Verkehr
zwischen Deutschland und Nordamerika; aber auch der Güter-
austausch mit Südamerika und Westafrika ist ein sehr reger.
Die wichtigsten Zielpunkte für den deutschen Schiffsverkehr
nach Amerika sind New York, Baltimore, Quebec, Halifax,
Galveston, La Guayra, Manaos und Buenos Aires. Auch nach
San Francisco an der Westküste von Amerika besteht ein regel-
mäßiger Verkehr von Hamburg aus.
Die Nordsee ist als Zugangsstraße zum Atlantischen
Ozean für Deutschlands Welthandel von größter Bedeutung.
Ihr Schiffsverkehr ist wahrscheinlich uralt wie der des Mittel-
meers. So berichtet schon Tacitus von der Handelsblüte
Londons. Genauer bekannt sind die gefürchteten Räuberfahrten
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Afrika Deutschland Atlantische_Ozean Deutschland Nordseehäfen_Hamburg Bremen Norddeutsche_Lloyd Hamburg- Amerika Deutschland Nordamerika Westafrika Amerika Baltimore Quebec Halifax La_Guayra Buenos_Aires San_Francisco Amerika Hamburg Deutschlands Londons
— 150
und der hauptsächlich vom Norddeutschen Lloyd, der Hamburg-
Amerika-Linie und der Levante-Linie vermittelt wird.
Das Mittelmeer zeigt schon im frühesten Altertum ein sehr
reges Verkehrsleben. Zuerst waren es die Phönizier, dann die
Griechen und Karthager, die mit ihren Fahrten das Mittelmeer
belebten. Später wurden Massilia (das heutige Marseille),
Alexandria und Byzanz (Konstantinopel) und zur Zeit der
Kreuzzüge Venedig und Genua zu Brennpunkten des Mittelmeer-
verkehrs. Mit der Entdeckung Amerikas und des Seeweges
nach Ostindien verlor das Mittelmeer seine Bedeutung für den
Weltverkehr, und erst die Eröffnung des Suezkanals hat es
wieder zu Ehren gebracht und zu einem wichtigen Gliede in
dem Seewege von Europa nach Indien und Ostasien gemacht.
Der Suezkanal ist der erste künstliche Weltschiffahrts-
weg, der seinesgleichen auch in ferner Zukunft kaum finden
dürfte. Von dem Franzosen Lesseps erbaut, haben sich die
Engländer mit der Zunahme ihres Einflusses in Ägypten in den
Besitz dieses hochwichtigen Seekanals zu setzen gewußt. Und
da sie neben diesem auch die bedeutsamen Knotenpunkte
Gibraltar, Aden, Singapore und Hongkong besitzen, so be-
herrschen sie gleichsam den gesamten Seeweg von Europa
nach Indien und Ostasien.
Der Indische Ozean. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß
er schon früher als das Mittelmeer von einem regen See-
verkehr belebt wurde. Eine größere Bedeutung für den Welt-
verkehr erlangte er erst durch Vasco de Gama, der von der
Südspitze Afrikas nach Indien vordrang. Der Bau des Suez-
kanals hat seinen Verkehrswert weiter wesentlich erhöht. Für
uns bildet er den Zugang zu unserem ostafrikanischen Kolonial-
besitz, führt nach Ostindien, Australien und bildet die
Durchgangsstraße nach unseren Kolonien in der Südsee. Die
wichtigsten deutschen Dampferlinien, die von Europa aus ent-
weder durch den Suezkanal oder um das Kap der Guten
Hoffnung den Indischen Ozean befahren, sind: die Hamburg-
Amerika-Linie und der Norddeutsche Lloyd, die gemeinsam den
Verkehr nach Ostasien betreiben, weiter die Ostafrika-Linie, die
deutsche Dampfschiffsreederei in Hamburg, die Australia-Sloman-
Linie und die Bremer Hansa.
Der Große Ozean. Ehemals eine verkehrslose Wasser-
wüste, ist heute der Stille Ozean zu einer wichtigen Straße des
Weltverkehrs geworden. Wird aber erst durch den geplanten
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Extrahierte Ortsnamen: Hamburg- Massilia Marseille Alexandria Byzanz Konstantinopel Venedig Genua Amerikas Ostindien Europa Indien Ostasien Hongkong Europa Indien Ostasien Indische_Ozean Afrikas Indien Ostindien Australien Europa Hamburg- Ostasien Hamburg
152
Straße von Mitteleuropa über Kleinasien zum Persischen Meere
und der Weg von Westeuropa über Moskau nach Ostasien.
Der Weg von der Donau über Konstantinopel nach
Baßra am Persischen Meere wird uns von der Benutzung des
unter englischem Einflüsse stehenden Suezkanals freimachen.
Er bildet aber auch den größten Teil der direkten Straße aus
dem Herzen Europas nach jenen Ländern des fernen Orients,
die als Rohstofflieferanten wie auch als Abnehmer europäischer
Waren von höchster Bedeutung sind. Durch den Bau der
Bagdadbahn, den sich deutscher Unternehmungsgeist und
deutsches Kapital zur Aufgabe gemacht haben, soll die Ver-
bindung zwischen Konstantinopel und Baßra hergestellt und
jene alte Völkerstraße wieder zu Ehren gebracht werden, auf
der sich vor Jahrtausenden der Verkehr zwischen Europa und
Ostindien bewegte. Es ist nicht ohne Bedeutung, daß die alte
Donaustraße aus Deutschland gleichsam hinweist nach dem
Südosten, zum Euphrattal, zum Indischen und Großen Ozean.
Die Straße von Westeuropa über Moskau nach Ost-
asien mit einer Länge von rund 11000 km ist die zweite
Überlandroute, die als Welthandelsstraße mit Vollendung der
sibirischen Bahn für Deutschland einen hohen Wert erlangt
hat. Für den Transport von Massengütern aus Deutschland
nach Ostasien wird sie wohl kaum jemals in Frage kommen,
da diese stets den billigeren Seeweg wählen werden; aber durch
die Beförderung der Post, der Personen und wertvoller Güter
wird sie von internationaler Bedeutung sein.
2. Die deutsche Handelsflotte.
a. Entwicklung'.
Deutschland durchlebt jetzt die zweite Blütezeit seines Welthandels.
Wie einst Venedig das Mittelmeer, so beherrschte vom 13. bis 15. Jahr-
hundert die deutsche Hansa mit ihrer gewaltigen Handelsflotte Nord- und
Ostsee. Sie war mit der Zeit zu einer solchen Machtfülle gelangt, daß
sie aus einem Krieg mit dem Dänenkönig Waldemar siegreich hervorging.
Doch gegen Ende des 15. Jahrhunderts begann der Stern der Hansa zu
sinken. Zahlreiche Feinde, innere Zwistigkeiten führten den vollständigen
Verfall herbei. Während die westeuropäischen Mächte infolge der großen
Entdeckungen am Ende des 15. Jahrhunderts schnell emporblühten, sank
der deutsche Seehandel zur Bedeutungslosigkeit herab. Nur Hamburg,
Bremen und Lübeck wußten sich den neuen Zeitverhältnissen anzupassen
und einen gewissen Anteil an dem Welthandelsverkehr zu sichern. Doch
auf den Schutz eines Deutschen Reiches konnten sie nicht rechnen.
Deutschland war während des 16. und 17. Jahrhunderts der Schauplatz
religiöser und politischer Wirren und so zu Ohnmacht und wirtschaftlichem
Verfall verurteilt.
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Extrahierte Ortsnamen: Mitteleuropa Westeuropa Moskau Ostasien Donau Baßra Europas Konstantinopel Europa Ostindien Deutschland Euphrattal Ozean Westeuropa Moskau Deutschland Deutschland Ostasien Deutschland Hamburg Bremen Deutschland
— 28 -
C. Das niederländische Kolonialreich.
Allgemeines.
Es ist leicht erklärlich, daß ein so rühriges Handels- und so
tüchtiges Seefahrervolk wie die Holländer bei der Aufteilung der
Erde nicht zurückblieb. So erwarben sie im 17. und zu Anfang des
18. Jahrhunderts eine Menge wertvoller Kolonien. Zwar verloren
sie davon in der Folgezeit viel an die Engländer (Kapland und
Ostindien), doch steht ihr Kolonialbesitz, der an Fläche das 60fache
des Mutterlandes beträgt, in bezug auf die Größe immer noch an
dritter, der Bedeutung nach an zweiter Stelle. Doch dürfte es dem
Mutterlande schwer fallen, die Kolonien dauernd gegen die Ein-
geborenen (Atschin) und Japan zu behaupten. Es ist heute schon
genötigt, dort ständig eine bedeutende Armee zu unterhalten, die
sich leider zum großen Teile aus Deutschen rekrutiert.
Das niederländische Kolonialreich umfaßt heute noch
1. In Asien
Niederländisch-Indien, bestehend aus den großen und kleinen Sunda-
inseln (nenne dieselben!). Sie sind ganz von hohen vulkanischen
Bergen erfüllt, haben aber, da sie um den Äquator und im Gebiete
der Monsune (siehe Monsungebiete !) gelegen sind, das günstigste
Klima, so daß auf ihnen sowohl die Pflanzen der heißen als auch die
der gemäßigten Zone vortrefflich gedeihen.
Die bestangebaute ist Java, eine Plantagenkolonie ersten Ranges,
deren eingeborene Bevölkerung tüchtige und willige Feldarbeiter
stellt. Den größten Ertrag wirft der Anbau des berühmten Java-
kaffees ab, von dem über die Hälfte den Regierungspflanzungen
entstammt. Andere Erzeugnisse sind Zucker, Tabak, Indigo, Tee,
Chinarinde und Kakao. Die Landstraßen und das Eisenbahn-
netz sind sehr entwickelt. Der Außenhandel hat seine Haupt-
sitze in Surabaya und Batavia.
Sumatra liefert den vorzüglichen Padangkaffee und aus-
gezeichneten Tabak zu Deckblättern. Seine neuentdeckten mäch-
tigen Kohlenlager haben für Ostasien ungeheuere Bedeutung
(Ersatz der teuren englischen Schiffskohle). Hauptort Palembang.
Die östlich vorgelagerten Inseln Banka und Biliton liefern fast reines
Zinn.
TM Hauptwörter (50): [T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel]]
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Extrahierte Ortsnamen: Ostindien Japan Asien
Niederländisch-Indien Surabaya Batavia Sumatra Ostasien
— 68 —
Deutschland mit Messerwaren und Haushaltungsgegenständen be-
teiligt.
Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse in Tunis, das seit 1881
französischer Schutzstaat ist. Hauptplatz ist Tunis, nahe der Stätte
des alten Karthago, und von strategischer Wichtigkeit der Kriegs-
hafen Biserta. Das westlich von Algier gelegene Marokko be-
trachten die Franzosen ebenfalls als ihre Domäne.
b) Den französischen Sudan. Er begreift das weite Gebiet des
Senegal und Niger und reicht, die englischen und deutschen Besitzungen
einschließend, bis zum Tsadsee, von welchem er sich dann in Franzö-
sisch-Kongo wieder bis zum Meere fortsetzt. Das feuchtwarme
Tropenklima erschwert die Kolonisation ungeheuer. Ausgebeutet werden
Erdnüsse, Palmöl und Gummi. Hauptorte sind St. Louis und Dakar,
Timbuktu, der Endpunkt berühmter Karawanenstraßen, und Libre-
ville.
c) Madagaskar, so groß wie das Deutsche Reich, ist reich an Eisen,
Steinkohlen, Salz, Kupfer, Reis, Zuckerrohr, Baumwolle und Vanille.
Hauptstadt ist Tananarivo, wichtiger Hafenplatz Tamatave. Die
Komoren bringen ebenso wie Réunion Zucker und Vanille hervor.
Von Bedeutung als Flotten- und Kohlenstation ist Obok, Aden gegen-
über, ebenso Djibouti, Ausgangspunkt der Bahn nach Addis Abeba,
der Hauptstadt Abessiniens, und wichtiger Freihafen.
2. In Asien.
Von den großen indischen Besitzungen sind den Franzosen nur noch
5 Städte geblieben, von denen Pondichéry an der Koromandelküste
die bedeutendste ist. Dagegen umfaßt Französisch-Indo-China das ganze
Gebiet des Mekong (Cochinchina, Kambodscha und Annam nebst
Tongking), etwa 660000 qkm mit rund 16 Mill. Einwohnern. Indo-
China erzeugt besonders Reis, Baumwolle, Zucker, Hölzer, Pfeffer,
Seide und Tee; Kultur und Gewerbetätigkeit (Töpferei, Herstellung von
Bambusgegenständen und Geweben) sind chinesisch. Als Haupt a us-
fuhrartikel kommen Reis, Seesalz, Fische und Pfeffer in Betracht
(Gesamthandelsbewegung 1905 : 290 Mill. M). Hauptplätze sind Saïgon,
Hue und Hanoi.
3. In Amerika.
Hier besitzen die Franzosen nur noch Französisch-Guayana, das
Land, „wo der Pfeffer wächst", die Inseln Martinique und Guadeloupe
sowie die kleinen südlich von New-Foundland gelegenen Felseninseln
St. Pierre (Kabel nach Brest) und Miquelon. Während die beiden
letztgenannten dem Stockfischfang als Stützpunkte dienen, haben die
westindischen Inseln einigen Wert für das Mutterland durch die Pro-
duktion von Vanille, Zucker, Kaffee und Rum. Guayana ist fast ganz
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Extrahierte Personennamen: Louis Addis_Abeba Pierre_(
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Tunis Tunis Karthago Algier Marokko Senegal Niger Franzö- Dakar Timbuktu Madagaskar Deutsche_Reich Djibouti Abessiniens Asien Cochinchina Kambodscha Hue Hanoi Amerika Martinique Guadeloupe Brest Guayana
— 8i —
Pachtgebiet Kwantung mit Port Arthur und Daini (jetzt Tairen)
eine Siegesbeute der Japaner geworden ist.
1. Sibirien, Transbaikalien und Amurgebiet (12,5 Mill, qkm mit
6 Mill. Einwohnern). Die Boden- und Anbau Verhältnisse sind denen des
europäischen Rußlands sehr ähnlich, und die besonders im Norden und
Osten sehr dünne Bevölkerung (0,5 auf 1 qkm) beschäftigt sich dement-
sprechend mit Ackerbau und Viehzucht im mittleren, der Aus-
nutzung des Waldes und der Jagd auf Pelztiere im nördlichen Gebiet.
Der Fischfang ist äußerst lohnend, ebenso die Jagd auf Pelztiere und
der Robbenfang (Sachalin). Der Bergbau hat eine Stätte im Altai
(Gold, Silber) und Transbaikalien (Nertschinsk) sowie im Sajanischen
Gebirge (Graphitlager westlich von Irkutsk, ausgebeutet von F. W.
Faber, Stein bei Nürnberg). Reiche Kohlenschätze sind ebenfalls
vorhanden, werden aber außer auf Sachahn noch nicht ausgebeutet.
Der sibirische Handel wird von den Messen in Nischni Nowgorod und
Irbit beherrscht. Es ist dort ebenso wie mit China (Kjachta-Maimatschin)
größtenteils Tauschhandel. Zur Ausfuhr gelangen Holz, besonders
Eisenbahnschwellen und eichene Faßdauben, Getreide, Gold, Pelz- und
Rauchwaren. Von ungeheurer Wichtigkeit für die Erschließung Sibiriens
und Transbaikaliens, wie überhaupt für den Weltverkehr, sind die
Sibirische Eisenbahn und der sie auf der größten Strecke begleitende
Uberlandtelegraph. Mit der Umgehungsbahn um den Baikalsee
und den Abzweigungen nach Port Arthur und Tairen (Mandschurische
Bahn) ist sie über 9100 km lang. Sie zerfällt in drei Teilstrecken: Moskau
—Irkutsk, Irkutsk—charbin und Charbin—wladiwostok—chabarowsk
bzw. Charbin—niu-tschwang — Port Arthur; jedoch steht der letzt-
genannte Zweig seit dem Friedensschlüsse von Portsmouth (1905) unter
japanischer Kontrolle. Die wichtigsten Orte an ihr sind neben den ge-
nannten im russischen Asien : Omsk, Tomsk, Krasnojarsk und Nertschinsk.
Der Verkehr Europas mit Ostasien hat sich seit der Inbetriebnahme der
Bahn sehr verschnellert. (Seefahrt von Hamburg nach dem Amurgebiet
mehr als 6 Wochen, Eisenbahnfahrt von Berlin bis dorthin 18 Tage.)
Schnellzüge von komfortabelster Einrichtung verkehren dreimal wöchent-
lich. Außer der Eisenbahn kommen als Verkehrswege noch die alten
Karawanenstraßen und die Flußläufe, besonders der des Amur
in Betracht. Handelsplätze sind neben den genannten noch Nikolajewsk,
Tobolsk (am Tobol, einem Nebenfluß des Ob), Semipalatinsk (Irtysch),
Jakutsk (Lena) und Ochotsk (Deportationsort am gleichnamigen Meer-
busen) ; auf der Halbinsel Kamtschatka Peter-Paulshafen (Station für
Walfischfänger und Robbenjäger).
2. Russisch-Zentralasien (3,6 Mill, qkm mit 7,7 Mill. Einwohnern).
Es umfaßt die Gebiete jenseit des Kaspischen Meeres und des südlichen
Ural bis zu den mächtigen Gebirgsketten Zentralasiens, reicht bis Persien,
Afghanistan, Ostturkestan und nähert sich im Pamirhochland bis auf
wenige Kilometer dem englischen Ostindien. Angegliedert sind ihm das
Keuchel-Oberbach, Wirtschaftsgeographie. Teil Ii. 6
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T17: [Meer Fluß Gebirge Land Hochland See Halbinsel Osten Norden Süden], T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel]]
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Extrahierte Personennamen: Arthur F._W.
Faber Arthur Arthur Lena)
Extrahierte Ortsnamen: Sibirien Sachalin Irkutsk Nürnberg Nischni_Nowgorod China Sibiriens Moskau Portsmouth Asien Omsk Tomsk Krasnojarsk Europas Ostasien Hamburg Berlin Jakutsk Kamtschatka Zentralasiens Persien Afghanistan Ostturkestan Ostindien Keuchel-Oberbach
— 84 -
Teil nach Deutschland zur Ausfuhr gelangt (1906 für 26 Mill. M).
Blühend ist auch die Fischerei, deren Erträgnisse sich auf etwa
10 Mill. M beziffern. Ausfuhrhäfen für Fische sind Kopenhagen,
Fredericia und Aalborg. Am Limfjord bedeutender Austernfang.
2. Von einem eigentlichen Bergbau kann man der Bodengestaltung
wegen nicht reden. Kohlen und Erze fehlen bis auf eine geringfügige
Förderung an Braunkohlen auf Bornholm gänzlich. Torf gewinnt
man in Jütland; Seeland hat bedeutende Kalksteinbrüche, und Born-
holm liefert außer der schon erwähnten Braunkohle Granit zu Bau-
und Pflastersteinen sowie vortreffliche Ton- und Porzellanerde.
3. Industrie. Infolge des gänzlichen Mangels an Kohlen und
Metallen ist die Gewerbetätigkeit wenig entwickelt. Mittelpunkt
derselben ist die Hauptstadt Kopenhagen, das neben Geweben
aus Wolle und Baumwolle vorzügliche Handschuhe, Möbel, Klaviere,
Eisengußwaren und Maschinen liefert. Die landwirtschaftlichen
Industrien (Brauerei, Spiritus-, Rübenzucker- und Margarinefabri-
kation) sind überall verbreitet. Berühmtes Porzellan erzeugen
Rönne auf Bornholm und Kopenhagen (Königliche Porzellanmanu-
faktur). Kalkbrennereien finden sich auf Seeland, Zementfabriken
in Aalborg. Hier wie in Kopenhagen und Helsingör blüht auch der
Schiffbau.
4. Handel und Verkehr. Im 16. Jahrhundert, als Dänemark
noch Schweden und Norwegen beherrschte, hatte sich der Handel
mächtig entwickelt, und bis an den Anfang des ig. Jahrhunderts
gehörte es zu den bedeutendsten Handelsstaaten Europas. Durch
den Anschluß an Napoleon I. verlor es (1807) seine Flotte durch die
Engländer und im Wiener Frieden Norwegen; aber immerhin ist
sein Anteil am Welthandel, besonders der mit Nordeuropa, noch
bedeutend. (Gesamtaußenhandel 1905: 1,3 Milliarden M) Der
Schiffsverkehr ist trotz der engen Meeresstraßen und trotz der
jütischen Küste (Kap Skagen, ,,der Kirchhof der Schiffe") sehr
lebhaft. Haupthafen wie erster Handelsplatz ist Kopenhagen.
Es unterhält regelmäßige Dampfschiffahrtsverbindungen mit Kiel,
Hamburg, Lübeck, Warnemünde, Stettin und den übrigen Ostsee-
plätzen der deutschen, russischen und schwedischen Küste sowie
mit England, Frankreich, New York und Westindien.
Auch sein Eisenbahnverkehr ist wie der des ganzen Landes
recht lebhaft. Wichtig sind die Linien, die ihre Fortsetzung auf
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Extrahierte Personennamen: Napoleon_I.
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Aalborg Bornholm Seeland Kopenhagen Bornholm Kopenhagen Seeland Aalborg Kopenhagen Norwegen Europas Norwegen Nordeuropa Kopenhagen Hamburg Stettin England Frankreich Westindien
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im Sommer gefangen (Trondhjem, Bergen, Stavanger). Der Wert
der gefangenen Fische beziffert sich in guten Jahren auf 50 Mill. M.
Hammerfest und Spitzbergen sind die Sammelplätze der Wal fisch-
fänger und Robbenjäger, die von hier aus nach den Regionen des
Eismeeres ziehen, um dort Wale, Seehunde und Walrosse zu jagen.
2. Bergbau. Die Vorteile, die Norwegen durch die Fischerei hat,
gleicht Schweden durch den unerschöpflichen Reichtum an Erzen
aus. Seine Eisenerze gelten als die besten der Welt, und die Aus-
fuhr darin beziffert sich jährlich auf mehrere Millionen Tonnen.
Da Kohle nur in ganz geringen Mengen vorkommt (Förderung 1904 :
321 000 t, um Heisingborg), ist die Verhüttung an Ort und Stelle
nicht rentabel; daher hat auch das des öftern erörterte Ausfuhr-
verbot für Eisenerze keine praktische Bedeutung.
Eisenerze finden sich hauptsächlich in drei Revieren: südlich
des Wettersees, nördlich von Stockholm (Dannemora) und in Lapp-
land (Erzberg bei Gelliwara und der Distrikt von Kirunavara, etwa
100 km weiter nördlich). Der Erschließung dieses vielleicht erz-
reichsten Gebietes der Welt dient die 1903 eröffnete Ofotenbahn
(Gellivara—narvik). Die Menge der in Narvik verschifften Erze be-
trag schon im ersten Betriebsjahre über 1 Mill, t, und fast ebensoviel
gelangte über Luleâ (größtenteils nach Deutschland) zur Ausfuhr.
Auch in Finnmarken, dem nördlichsten Teile Norwegens, hat man
nahe der russischen Grenze große Erzlager entdeckt. Neben Eisen-
erzen werden auch vorzügliche Kupfererze abgebaut. Haupt-
fundorte sind außer dem bereits erwähnten Bezirk von Kirunavara
die Gegenden von Falun und Norrköping. Blei und Silber liefern
Sala in Schweden und Kongsberg in Norwegen. Zahlreich sind die
Steinbrüche auf Granit und Syenit. Beide Gesteinsarten wandern
nach Norddeutschland, wo sie als Fliesen und Grabdenkmäler Ver-
wendung finden. Torf wird am Torneä-Elf, nördlich der wichtigen
Wetterstation Haparanda, gegraben.
3. Industrie. Die industrielle Entwicklung der skandinavischen
Reiche wird gehemmt durch den Mangel an Kohle, in letzter Zeit je-
doch günstig beeinflußt durch die Nutzbarmachung der vielen Wasser-
fälle für die Gewinnung von elektrischer Kraft. (Die durchdie Troll-
hättafälle gewonnene elektrische Energie versorgt fast ganz Südschwe-
den mit Licht und Triebkraft, während die norwegischen Wasserkräfte
besonders zur Erzeugung von künstlichem Salpeter ausgenutzt werden.)
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